Königreich der Thüringer


Die Existenz des Königreichs der Thüringer ist für den Zeitraum von 480 bis 531 nachgewiesen. Die Ersterwähnung eines Stammes (Volk) namens Thüringer findet sich in Konstantinopel und wird auf den Zeitraum 370 bis 395 datiert.

Im 19. Jhd. entstand die Vorstellung bzw. Behauptung, dass Königreich der Thüringer hätte sich nach Süden einst bis zum Main oder gar bis zur Donau erstreckt. Seit den 1990er Jahren erscheinen immer mehr wissenschaftliche Arbeiten, welche dies zumindest deutlich anzweifeln oder dem sogar konkret widersprechen.

Wenn man das merowingisch-fränkische Herzogtum Thüringen als die Südhälfte des Königreichs der Thüringer betrachtet, ist es naheliegend davon auszugehen, dass immerhin der Bereich nördlich des Salzbogens um Bad Salzungen und Bad Liebenstein zum Königreich Thüringen gehört haben könnte.

Hier ein paar Anmerkungen zu den Argumenten, welche eine Ausdehnung des Königreichs der Thüringer bis an den Main oder gar die Donau beweisen sollen:

  • Die Großromstedter Kultur, aus der eventuell die thüringische Kultur entstanden ist, ist nach dem 1. Jahrhundert n. Chr. südlich des Rennsteigs nicht mehr nachweisbar. Die Fundsituation der Römischen Kaiserzeit mit ihren vergleichsweise sehr zahlreichen gallischen und römischen Funden im mitteldeutschen Raum zeigt ebenfalls sehr deutlich, dass in dieser Zeit das Thüringisch-Fränkische Mittelgebirge („Thüringer Wald“) ganz klar den mitteldeutschen Siedlungsraum nach Süden hin abgrenzte, wie es davor zuletzt in der Spätlatènezeit der Kelten auch schon, mit nur sehr wenigen Ausnahmen von Funden bei Ohrdruf und Arnstadt, der Fall war.
  • Die Schlacht zwischen Hermunduren und Chatten 58 n. Chr. fand mehr als 300 Jahre vor der ersten Erwähnung des Stamms der Thüringer um das Jahr 370 statt. Der Ort des Geschehens dieser Schlacht ist bis heute unklar.
  • Die spätere Allianz der Thüringer mit den Markomannen, welche zur Zeit des Königreichs der Thüringen bereits schon lange im heutigen Böhmen und nicht mehr am Main zuhause waren, ist gut belegt. Die gemeinsamen Überfälle der Hermunduren und Markomannen im Rahmen der Markomannenkriege, mit denen man gerne die Ausdehnung des Königreichs der Thüringer bis an die Donau begründet, fanden allerdings schon in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts statt, also etwa 200 Jahre vor der Ersterwähnung der Thüringer.
  • Die Hermunduren werden zum Ende der Völkerwanderungszeit vor allem im Donauraum verortet.
  • Der einzige archäologische Befund südlich des Rennsteigs, welcher eindeutig dem thüringischen Kulturkreis, also nicht nur grob den Elbgermanen, und auch der Zeit vor der Schlacht an der Unstrut im Jahr 531 zugewiesen werden kann, ist ein einzelnes Grab einer jungen Frau auf einer alten Grabstätte bei Bad Staffelstein. Das dort eine einzelne Frau aus dem thüringischen Kulturkreis beerdigt wurde, kann unterschiedlichste Gründe haben.
  • Die bekannten thüringischen Gräber bei Würzburg werden zeitlich nach der Schlacht an der Unstrut eingeordnet.
  • Die Hedenen waren im Frühmittelalter Grafen in Franken und in Personalunion Herzöge in Thüringen. Das Herzogtum Thüringen ist jedoch aus dem Königreich der Thüringer und damit logischerweise erst nach der Schlacht an der Unstrut entstanden. Die Hedenen sind zudem erst im 7. Jhd. erstmals belegt.
  • Weitere thüringische Funde am und um den Main sind zeitlich noch etwas später eingeordnet. Es ist bekannt, dass im späten Frühmittalter verdiente thüringische Adelige u.a. im heutigen Unterfranken und Südthüringen angesiedelt wurden. Das untere und mittlere Maintal war zudem zuvor, als Nachwirkung der letzten Eiszeit, nur schwer besiedelbar gewesen. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit sind deshalb die sehr wenigen thüringischen Ortsnamen mit den Endungen -leben und -roda südlich des Rennsteigs auch erst in dieser Zeit entstanden.

Die Franken haben sich auch bzgl. der Besiedelung erst den Rhein und später den Main entlang ausgebreitet. Es wäre auch denkbar, dass sie in die Region über das Fuldaer Becken von Nordwesten in das Werratal kamen. Man muss hierbei auch bedenken, dass der Limes fast bis nach Würzburg reichte und so der Spessart mit Sicherheit ein eher schwer überwindbares Hindernis darstellte. Auch wenn die frühen Franken zeitweise durchaus auch mit den Römern kooperierten, so werden sie sich wohl nur nördlich des Limes frei bewegt haben können. So könnte das Tal der Kinzig und dann nördlich der Rhön nach Osten abbiegend das Mittlere Werratal, im Wesentlichen Wasserwege, nutzend eine mögliche Route in die Region gewesen sein. Es gibt zudem die Überlieferung, dass die Franken (Merowinger) bereits im frühen 5. Jhd. bei Bad Salzungen und Sonneberg Burgen zur Abwehr der Thüringer errichtet haben sollen. 

Unklar ist der zeitliche Zusammenhang zur Herkunft der alemannischen Ortsnamen mit den Endungen -ingen und -ungen in der Region. Es gibt hierfür wohl zwei mögliche Erklärungen:

  1. Bereits sehr früh als das Rhein-Main-Gebiet das Kernsiedlungsgebiet der Alamannen darstellte, bevor diese von den Franken nach Süden in das heutige Schwaben verdrängt wurden. Man könnte also die Region in diesem Zusammenhang als Teil des Rhein-Main-Gebietes betrachten. Möglich wäre es in diesem Zusammenhang aber auch, dass nicht alle Alamannen nach Süden sondern einige auch in Richtung Osten und Nordosten ausgewichen sind.
  2. Oder es handelt sich um Umsiedlungen während der Zeit der Karolinger. Diese siedelten bekanntlich neben Thüringern auch Sachsen um, worauf einige Ortsnamen in der Region zurückzuführen sind, welche den Begriff Sachsen einhalten. Diese Sachsen kamen natürlich nicht aus dem mitteldeutschen Raum, sondern aus dem historischen Sachsen. Es wäre also deshalb nicht unwahrscheinlich, dass diese auch Alamannen in die Region umgesiedelt haben könnten.